Warum überall hinpissen (auch) ein Problem des Patriachats ist  

Kürzlich wurde von einem 20-Jährigen in ein Gespräch über Karneval geäußert, dass sich die Bewohner*Innen der Innenstadt nicht beschweren sollten, wenn während der Feierlichkeiten vor ihrer Haustür uriniert wird.

Grundsätzlich stimme ich zu, dass man die örtlichen Besonderheiten bei seinem Wohnort akzeptieren sollte. In der Innenstadt ist es lauter und dreckiger, im Randbezirk fährt kaum ein Bus. Sich für eine Verbesserung der Umstände einzusetzen ist nicht verwerflich, wenn es nicht zu einer Gentrifizierung und Raub der Viertelseele geht – aber das soll hier, diesmal, nicht das Thema sein.

Nein, Leute mit Penis dürfen nicht überall hinpissen. Meinen Müll trage ich bei mir bis zum nächsten Mülleimer, Zigaretten kommen in den Taschenascher, direkt am Ende der Rolltreppe bleibt man nicht stehen – einfache Dinge, die nicht nur jahrzehnterlanger Konsens von Höflichkeit und Rücksichtnahme sind, ob in den Verordnungen der Stadt oder in Memes auf Reddit – es scheint im Großen und Ganzen akzeptiert, dass das ein erstrebsames Benehmen ist.

Die Anspruchshaltung: „Es ist eine ausgelassene Stimmung, ich geh mal rücksichtlos meinem Bedürfnis nach“ schmeckt für mich sehr nach Männern, die der Meinung sind ein Recht auf Partnerschaft oder Sexualität zu haben. Nein.

Die Hälfte der Menschheit (plus die sogenannten schüchternen Blasen) kann sich zusammenreißen und eine Toilette oder zumindest einen abgelegenen Busch aufsuchen. Wieso nehmt ihr euch das Recht heraus, Hauseingänge oder direkte Orte, an dem sich alle aufhalten, mit euren Exkrementen zu verunreinigen?

Es ist unhygienisch, es stinkt. Alle feiern, da kann man mal, alkoholisiert oder nicht, stolpern. Oder muss sich kurz mal setzen, vielleicht in einen Hauseingang mit Stufe. Und da ist eure Pisse, weil die paar Schritte weiter um die Ecke zu viel sind. Weil ihr echte Männer seid, deren Arme stark aber deren Beine, Blase, Geist und Gemeinsinn schwach sind.

Und wisst ihr, warum ihr es noch tut? Weil ihr euch nicht vor Übergriffen fürchten müsst.

Ihr könnt überall euren Penis herausholen und das Bächlein laufen lassen – weil keine Gruppen von großen, kräftigen, betrunkenen Frauen johlt, das Handy für Videos zückt, zum Grapschen vorbeikommt bevor ihr fertig seid. Weil ihr nicht jeden Tag mitbekommt, wie Frauen Männer vergewaltigen und töten. Weil Frauen eure freilegenden Geschlechtsorgane nicht als Einladung verstehen, euch sexuell zu traumatisieren.
Weil die Frauen, die an euch vorbeikommen, es ignorieren – und nicht die nächsten zwei Wochen allen erzählen werden, wie eklig ihr seid, dass man mit so einem Mann ja nicht schlafen kann – wie unmännlich, wie widerlich, einfach so pinkeln. Das wird nicht passieren. Keine Frau wird euren Lösungsvorgang sexualisieren.

Ich war, vor allem in meiner Teenagerzeit, sehr neidisch auf das Privileg des männlichen Wildpinkelns. Die Jungs konnten von der Parkbank aufstehen, sich drehen und in den Busch daneben pissen, während das gemeinsame Gespräch nahtlos weitergeführt wurde. Es war einfach nichts Besonderes, es war einfach so.

Dass es nicht nur die körperlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Unterschiede von Männern und Frauen sind, die mich zum Einhalten und damit verbundenen Blasenentzündungen und Nierenproblemen gezwungen haben, ging mir erst später so richtig auf.

Frauen lernen, es sich zu verkneifen. Die angeblich schwachen, viel zu emotionalen Frauen – und doch haben wir mehr Kontrolle über unsere Ausscheidungen. Und als gelten strengere Regeln in Bezug auf Sauberkeit für uns, als für das starke Geschlecht.

Sei einfach nett, piss in den Busch, wenn du kein Klo findest. Und halte, mit dem Kopf zur Straße, deine Jacke als Sichtschutz für deine pinkelnde Freundin.